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Luftwirbel traveling... Karpaten

Reisetagebuch
Karpaten

Mittwoch 11.09.2019

Zeit unterwegs von 11:45 bis 16:30 Uhr 

Zeit in Fahrt = 3:06 h

 

Hohe Tatra [SK] → Prešov→ Snina [SK]

195 Kilometer

Die Sonne weckt uns. Vorerst ist Schluss mit dem trüben und nassem Wetter. Heute wird es herrlich werden.

Wir sind nicht alleine. 9 bunte Zelte einer Wandergruppe aus Slowenien teilt sich mit uns die grosse Zeltwiese. Platzmangel gibt es hier nicht. Auch bei den Duschen und Toiletten entsteht kein Engpass.

 

Leider haben wir beide leichte Kopfschmerzen und so nehmen wir's mit Frühstücken und Aufräumen gelassen. Ein intensives Kartenstudium ist angebracht. Es liegen nur noch knapp 230 Kilometer zwischen der Ukraine und uns und somit werden wir heute, spätestens Morgen die EU verlassen. Dann ist fertig mit freiem Internet, google & co. Nicht dass das ein Problem wäre, aber man gewöhnt sich halt schon dran, jederzeit zusätzliche Infos abzurufen. Und darum sollten wir jetzt, solange wir noch online sind, unsere Übernachtung bei Oksana organisieren.

Es ist bestimmt schon ein halbes Jahr her, oder sogar länger, da entdeckte Martin einen Interessanten Reisebericht (21.11.2018) und begann mir daraus vorzulesen.

 

„Mitten in Europa lebt das Bergvolk der Huzulen, das viele nicht kennen. Und zwar in den verwunschenen Karpaten, wo selten Touristen hinkommen. Zwei Gründe für Schriftsteller Norman Ohler, sofort dorthin zu reisen.“

 

Martin macht eine kurze Pause. Erwartungsvoll schau ich ihn an und fordere ihn auf, weiterzulesen.

Mit einem lächeln fährt er fort:

 

„Die Anreise erfolgt über die alte Kulturstadt Czernowitz, wo einst viele deutsche und jüdische Dichter lebten und Paul Celan die „Todesfuge“ geschrieben hat. Doch in Czernowitz weiß man vom Huzulenland nichts, außer dass es irgendwo hinter unpassierbaren Straßen liegt. Dass man dort freiwillig hin will, erstaunt die Menschen, denen ich in der Fußgängerzone beim Kirschweintrinken von meinen Plänen erzähle. Sie wollen mir abraten und warnen mich, dass es pro Tag nur einen klapprigen Kleinbus dahin gebe, der mindestens sieben Stunden brauche, und wo der Abfahrtspunkt sei, das wusste niemand so genau.

 

Einen Taxifahrer, der kräftig gebaut war und kampferprobt aussah, als sei er kürzlich noch im Donez-Becken gewesen, schien die gewünschte Strecke ins Huzulenland nicht zu verschrecken. Doch bald wurde der Schotterweg in den kleinen Ort Werchowyna, meinem Ziel, derart schlecht, dass der Fahrer mehrmals kurz vor dem Aufgeben stand, das spürte ich deutlich. Vielleicht war er wütend auf mich, weil ich so eine blödsinnige Idee hatte, ausgerechnet ins Huzulenland fahren zu wollen, dessen hohe Gipfel, dunkle Fichtenwälder und tief eingeschnittene Täler den Zugang erschweren. Seine Karre kämpfte, ruckelte, wackelte, wehrte sich regelrecht gegen den Fahrauftrag, doch ich bestand darauf, dass wir weiterfuhren, kurbelte die Fenster herunter, genoss den würzigen Nadelwaldgebirgsduft und konnte mich nicht sattsehen an den Häusern, die nun, je höher wir kamen, alle aus Holz waren, ebenso wie die riesigen Kirchen in den Dörfern, bei denen der Fahrer im Vorbeifahren je drei Kreuze schlug, ihre silbernen Schindeldächer lagen gleißend im Sonnenlicht.

 

In Werchowyna wohnte ich bei Oksana, einer quirligen Huzulin mit blonder Helmfrisur. Sie spricht den lokalen Dialekt, das Russinisch, eine Abwandlung des Ukrainischen mit rumänischen Einsprengseln, kann aber auch Englisch und betreibt ein Gästehaus“.

 

Ich grinse Martin an. Er strahlt zurück. Ein gegenseitiges nicken. Die Sache ist beschlossen: Wir fahren ins Huzulenland.

Und schon widmen wir uns mit vollem Elan weiteren Recherchen. Unser Hauptthema der nächsten Tage. Doch diese „weiteren Recherchen“ erweisen sich als schwierig, bzw. unmöglich. Wir finden nichts im Internet. Also, nichts für uns Reise relevantes. Dafür jede Menge Infos über das Huzulen-Pferd und eine Playboy-Reportage des Focus-Online-Magazins.

 

Martin schreibt Norman Ohler, dem Autor eine Mail und bittet um die Kontaktdaten von Oksana. Als Antwort bekommen wir eine Homepage mit allen Angaben, ..........

.... in kyrillischer Schrift!

 

OKeeee. …..... Wir verstehen kein Wort.

 

Und bei dieser Adresseingabe wird unser Garmin „streiken“. Besser, wir prägen uns schon mal die ungefähre Lage ein. Ein Fluss, eine Brücke, die Strasse ähnelt einem Dreieck. Irgendwo da. Wenn wir Werchowyna finden, finden wir auch die Brücke und dort direkt auf der anderen Seite der Brücke rechts in ein Seitengässchen, da wohnt Oksana.

 

Zur Sicherheit notierten wir uns noch die dutzend verschiedener Schreibweisen von Werchowyna, Werchowina, Verkhovyna, Верховина (ukrainisch).

Jetzt stehen wir kurz vor der Ukraine und versuchen uns nochmals die Überlegungen von vor einem halben Jahr in Erinnerung zu rufen.

 

Ich füttere Garmin mit Werchowyna. Den Rest der Anschrift kann ich natürlich nicht eingeben, weshalb ich sie abfotografiere. Und weil Sicher Sicher ist, mit der Kamera und dem Smartphone. Als ahnte ich heute schon, dass ich morgen das gute Stück mit all den Fotos verliere.

 

Bis Werchowyna sind es noch etwa 510 KM. Wenn wir heute 250 zurücklegen, so sollten wir Morgen abend bei Oksana ankommen. Martin schreibt Oksana eine Email, dass wir gerne so 2 bis 3 Nächte bleiben möchten, falls das OK ist.

 

 

Dann brechen wir auf. Zuerst zurück auf die Hauptverkehrsachse nach Poprad um dort auf der Autobahn zügig gen Osten zu kommen. Nach der Ortschaft Prešov geht’s auf Überlandstrasse weiter. So gut wie kein Verkehr. Wir fahren und fahren und fahren.... es fährt sich einfach super.

 

Was wir hier in der Slowakei (wie auch schon in Tschechien) irgendwie vermissen, sind so kleine Strassenstände mit Essen, kleine Lädchen und einladende Kaffees. Wir hätten bestimmt schon ein dutzend Mal angehalten und irgendwas lokale probiert. Aber es gibt keine.

 

Stattdessen entdecken wir ständig irgendwelche Kebabstände, oft mit der Aufschrift: „Deutsche Qualität“ und Pizza-Restaurant. Na super, Ich will aber kein Kebab, auch kein deutsches Qualitätskebab.

 

Und dann kommt er doch, der kleine Hunger der einem innerlich quengelig macht. Eine kleine Eisdiele kommt mir da gerade recht. „Eis? Echt jetzt?“, fragt Martin ungläubig. Unser Mittagessen besteht somit aus zwei grossen Glaces in der Waffel. Total 4€ Euro kostet uns der leckere Schmaus, welcher aus je drei Kugeln besteht.

Eis macht zwar nicht langanhaltend satt, aber dafür glücklich. Zufrieden geht’s weiter durch dichte Wälder, weite Felder und Hügel.

 

Irgendwie sind wir in den Karpaten und doch im Flachland.

 

In einem Decathlon suchen wir nach GAS-Kartuschen für unser Kocher. Doch so was hat der grosse und übersichtliche Outdoor-Shop nicht.

 

Irgendwo finden wir dann doch noch ein Lädeli und kaufen ein. Brot und eine Flasche slowakischer Rotwein. An der Fleischtheke fischt uns die Verkäuferin zwei der schönsten Stücke raus.

 

In Snina, 30 KM vor der Grenze, soll es einen Campingplatz geben. Wir finden ihn auf Anhieb und oh Wunder, er hat sogar noch geöffnet. Die Uhr zeigt 16:30. Irgendwie wären wir ja blöde, würden wir nicht doch noch eine Nacht hier verbringen.

 

Hat Oksana eigentlich geantwortet? Kurz Email checken; Nein, (noch) keine Antwort. So Internet ist halt schon praktischer Luxus. 

 

Der Campingplatz ist mit Maulwurfhügel gepflastert. Der Besitzer starrt seit unserer Ankunft in die Glotze. Es scheint nicht, als hätte er irgendwelche Ambitionen, hier noch irgendwas in Schuss zu halten. Wahrscheinlich ist die Saison für Ihn so gut wie zu ende. Das einzige was ihn wohl noch hier hält, ist sein „Biergarten“, welcher von Stammkunden besucht ist.

 

Uns soll´s egal sein. Wir finden ein halbwegs ebenes Plätzchen zwischen den vielen Bäumen direkt neben einer Feuerstelle.

Vorne beim Biergarten kaufen wir Holz.

Klar könnten wir auch im Wald suchen, wir würden bestimmt finden, aber 2€ sind für so eine „trage trockenes Holz“ glaub´s ganz ok.

Das Feuer brennt. Und obwohl wir nicht gerade sparsam mit Holz verfeuern sind, werden wir noch viel zu viel übrig haben.

 

Der slowakische Rotwein schmeckt uns nicht. Furchtbar süss.

Und nun, Gute Nacht.

Autokemp Koryčany [Tschechien]

 

 

2 Personen + 2 Motorräder

1 Zelt

= 9€ (= 4.50€/Person)

 

Warm Duschen kostet 1€

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