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Luftwirbel traveling... to Marokko

Reisetagebuch
Marokko Oriental

Das Betteln ist den Kindern nicht angeboren. Das Problem; seit vielen Jahren werfen die „reichen“ Europäischen Touristen den „armen“ Kindern Bonbons, Geld und Stifte geradezu hinterher.

 

Was früher sicherlich in guter Absicht geschah, ist heute leider kontraproduktiv, auch zum Leidwesen der europäischen Touristen. Es nervt unheimlich, wenn ständig und überall Kinder angerannt kommen und betteln.

 

Ein bettelndes Kind zu ignorieren fällt schwer. Nebst der Tatsache, dass man LKW-Ladungen voll Süssigkeiten bräuchte, um jedem Kind was zu geben, macht es die Situation des Kindes nicht besser. Im Gegenteil. Es hält den Teufelskreis von Armut am Laufen.

 

Was ist für uns schon 1 Euro. Mal ganz ehrlich… es macht uns nicht ärmer, wenn wir einem Kind 1 Euro geben. Für das Kind in Marokko ist 1 Euro 10 DH, und das ist schon eine ganze Menge.

 

Aber: Die Kinder und deren Eltern lernen daraus, dass jeder Tourist reich ist. Es ist für die Familie „lukrativer“, wenn die Kinder betteln und so einen Teil des Lebensunterhalts dazu zu erwirtschaften, anstatt in die Schule zu gehen. Nicht selten werden sie von den Eltern zum Betteln gedrängt.

Dass die Kinder durch das Betteln um die Chance einer Schulbildung gebracht werden und somit im späteren Leben wenig Möglichkeiten haben, für sich selbst zu sorgen ist nur die absehbare Spitze des Eisberges.

 

 

Die folgenden Schilderungen werden hier, in diesem vom Touristen geschändetem und verlassenem Tal wohl kaum der Fall sein, aber in grossen Städten (Weltweit) Alltäglichkeit!

 

Das wirkliche Drama spielt sich ab, wenn das organisierte Verbrechen Kinder als Bettler benutzen. Kinder werden, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländer, entführt, Misshandelt und als Kinderbettler auf die Strasse geschickt.

 

Noch mehr Mitleid – und damit mehr und höhere Spenden – bekommen behinderte Kinder. Die Mafiaartig organisierten Banden schrecken so auch nicht davor zurück, sich behinderte Kinder „zu machen“. Man liest immer wieder, dass Ärzte für einen finanziellen Zustupf bereit sind, gesunde Gliedmassen zu Amputieren.

 

Einem bettelnden Kind nichts zu geben ist nicht einfach und verursacht ein schlechtes Gewissen. Was passiert mit dem Kind, wenn es ohne „Beute“ nach Hause kommt? Wird es zur Strafe Misshandelt? Ja, Leider ist auch das Realität.

Aber, dieser erbettelte Euro fliesst in die Kasse des kriminellen System und hält den Teufelskreis am Leben.

 

Jetzt kann man sich natürlich schönreden, dass Süssigkeiten eine gute Alternative zu Geld sind. Und zweifellos, jedes Kind freut sich darüber. Doch mit ihm leider auch der Karies, denn nur selten gehört die Zahnbüste zum Alltag. 

Dieses Tal wurde Asphaltiert, somit jedermann zugänglich gemacht und als „Landschaftlich schöne Strecke“ mit einem „Touristisch besonders Interessanten Ort“ gekennzeichnet. Früher fuhren hier bestimmt viele Touristen durch. Und nun, die Strecke ist am zerfallen. Ohne Geländewagen kommt man nicht mehr bis ans andere Ende des Tals. Spätestens bei der weggespülten Brücke [32°22'29.0"N 5°10'30.0"W] muss das Wohnmobil umdrehen.

 

 

Und es gibt hier auf dieser Strecke NICHTS, nichts ausser dieser kleinen Dörfer mit ihren zermürbten Bewohner. Sonst wird in Marokko doch überall am Strassenrand Obst und Gemüse verkauft. Normalerweise laden Kaffee´s zum verweilen ein und überall werden alles Mögliche an Dinge angeboten.

 

Doch hier in den Dörfern dieses Tales gibt es einfach nichts.

 

Keine Ahnung, vielleicht haben sich die Menschen hier gedacht, mit betteln allein lässt sich vom Tourismus leben. Wir wissen es nicht. Aber so funktioniert das nicht und heutzutage wird diese Strecke nicht mehr oft befahren.

Und jetzt, wo die vielen Touristen weg bleiben, nur noch ein paar Individualreisende (die es nicht besser wissen) vorbeifahren und den bettelnden Kinder auch nichts mehr geben, muss das enorm frustrieren sein.

 

Und so verwundert es auch nicht, dass die Kinder enttäuscht sind, wütend werden und am Ende in der Aggression enden. Und je weiter man in dieses Tal fährt, umso genervter wird man ja selbst auch und es kostet reichlich Überwindung, trotz des Frustes ein Lächeln aufzusetzen oder mit angemessenem Tempo durchzufahren. Ganz ehrlich, am liebsten wären wir nur noch so schnell wie möglich durch die Käffer gerast. Aber wir fahren anständig, auch wenn es uns schon von weiten ankotzt, wenn wieder eine Siedlung vor uns auftaucht.

Dieses Tal lebt noch in einem anderen Zeitalter. Die Äcker werden mit Pferden gepflügt, die Kleider im Bach gewaschen. Auch sonntags sind überall die Menschen am Arbeiten, in den Gärten am chrampfen oder am Bauen. Die Gärten sehen schön aus. Das Gemüse wächst und gedeiht. Da steckt viel harte Arbeit dahinter, dafür lässt es sich hier doch eigentlich gut leben.

 

 

Die „Strasse“ führt teils mitten zwischen den Häuser durch. Wenn da Leute vor Ihrer Tür sitzen muss man schon aufpassen, denen nicht über die Füsse zu fahren. Keine Frage, mich würde das als Einheimischer auch stören. Und ich bin überzeugt, nicht alle 4x4, Quads und Bikes fahren so zurückhaltend wie wir. Wenn da ganze Horden lautbrummender Motoren ins Dorf einfallen und mit einer Staubwolke hinterher-ziehend in der Ferne verschwinden. Bestimmt auch nicht toll für die dort lebenden Menschen.

Vielleicht hatten wir einfach Pech, das heute Sonntag ist. Wir wissen nicht, ob es hier so was wie Schulen gibt, aber möglicherweise wäre die Fahrt durch dieses Tal an einem Dienstagvormittag halb so elendig gewesen.

 

Nach den Dörfern geht die „Asphaltstrasse“ weiter. Aber wie gesagt, das darf man eigentlich nicht asphaltiert nennen.

Nach gut 64 Kilometer ist die oben erwähnte, weggespülte Brücke. Eine Frau wäscht da Ihre Wäsche im Bach. Für Geländefahrzeuge ist Fahrt durch das Qued machbar. Auch wir kommen mit unseren Enduros gut durch.

 

Tagoudit rückt immer wie näher. Vor dieser Ortschaft fürchten wir uns ein wenig, denn es ist auf der Michelin Karte das einzig eingezeichnete Dorf, oder vielleicht erwartet uns da sogar eine kleine Stadt. Wir haben keine Wahl; Wir müssen durch diese Ortschaft.

 

 

Schlimmer als die anderen Käffer wars dann schlussendlich doch nicht.

 

Immerhin, bei Ortseinfahrt hat es eine Auberge. Wir fahren dran vorbei.

 

 

Direkt nach Tagoudit ist eine kleine Kreuzung, die auf der Michelin Karte nicht eingezeichnet ist. Pinkelpause, ein paar ermutigende Worte und vor allem auch Gedanken austauschen. Da wir ohne Headset fahren, können wir nicht miteinander sprechen. Jeder macht sich so seine Gedanken und von Zeit zu Zeit sollten die ausgetauscht werden.

 

Martin ist es auch nicht entgangen, dass es irgendwie schon dämmert. Und so realisieren wir, dass heute der letzte Sonntag im Oktober ist. Um 3 Uhr früh war Zeitumstellung, haben wir ja total „verpasst“. Es wird eine Stunde früher Dunkel. Uiuiui…. das verheisst nichts Gutes. Unabhängig davon, hier im Gebirge, irgendwo im Hohen Atlas, umschlossen von 2000er geht es jetzt Schlag auf Schlag und es ist Finster.

 

Und jetzt?

Zurück zur Auberge? Es war die einzige Auberge, welche wir auf den gesamten 67 gefahrenen Kilometer in diesem Tal gesehen haben. Jedoch hat sie auf mich einen geschlossenen Eindruck gemacht. Martin bestätigt meinen Eindruck.

 

Egal, was noch kommt, und wenn wir die ganze Nacht durch fahren müssen, hier in diesem Tal wollen wir sowieso nicht übernachten.  

 

Garmin zeigt noch 73 KM bis Midelt. Richtung Midelt ist der wohl direkteste Weg aus diesem Tal. Dass ist nochmals so weit wie eben erst zurückgelegt. Was haben wir uns da nur eingebrockt.

 

 

Jetzt holt uns die Trödelei von heute Vormittag in der imposanten Todraschlucht ein. Da bin ich wirklich geschnäggelt, als hätten wir alle Zeit der Welt (die hatten wir ja auch). Und dass es dann im Tal so mühsam zum Fahren ist, konnte ja keiner Ahnen.

Es ist einfach unmöglich, aber man kann wirklich keine 5 Minuten alleine sein. Ein Auto kommt angefahren, hält und fragt, ob wir nach Midelt wollen. „Oui“.

Der junge Mann am Steuer versucht zu erklären, dass wir hier (an der Kreuzung) Rechts fahren müssen.

 

Nein, ich bin anderer Meinung.

Die Rechte Strasse ist auf der Michelin Karte nicht eingezeichnet und im Garmin als Piste aufgeführt. Wenn wir schon die Nacht durchfahren „müssen“, dann auf keinen Fall eine unbekannte Piste.

 

Die Männer im Auto zeigen nach rechts: „Midelt“.

 

Ich schaue Martin kopfschüttelnd an. Er versucht auf dem Navigon-App schlau zu werden, doch die Piste endet im Nichts.

 

„Midelt, droit“.

 „Nein“, „Martin, es geht eindeutig Links die Strasse weiter. Ich bin mir sicher. Wir sollten nicht auf die Typen hören“.

 

Es ist traurig aber wahr. Aber ich bin den zwei Fremden derart Misstrauisch gegenüber. Eigentlich bin ich ja ein offener Mensch und unter anderen Umständen hätte ich Ihren „Tipp“ nie hinterfragt. Aber was wir heute in diesem Tal erleben mussten sitzt tief. Dem ganzen Volk hier hinten ist meiner Meinung nach nicht mehr zu helfen. Warum sollten es zwei Typen „gut“ mit uns meinen? Viel wahrscheinlicher ist doch, dass sie absichtlich den falschen Weg weisen, oder uns sogar in eine Falle locken wollen. Ich traue Ihnen nicht.

 

Martin ist einverstanden. Wir fahren Links die Normale Strecke weiter.

 

 

 

Etwa einen halben Kilometer später ist die Strasse komplett mit Geröll verschüttet. Der Halbe Berg ist heruntergestürzt. Da kommen wir effektiv nicht durch. Vielleicht können wir die Stelle durchs Qued umfahren. Es sind immerhin Spuren erkennbar. Kann ja sein, dass die Einheimischen das auch so machen. Es gibt sogar so was wie eine „abfahrt“ ins breite Gewässerbett. Versuchen wir es. Es ist ziemlich schwierig, im Qued zu fahren. Ich werde hier warten, während Martin vorfährt und schaut ob es da eine Möglichkeit gibt.

 

Von wo auch immer jetzt dieses Kind herkommt, plötzlich steht schon wieder eins neben mir und möchte Bonbons. Ich reiche ihm Datteln. Doch das Kind will keine Datteln.

Hoffentlich kommt Martin bald….und hoffentlich kommen nicht noch mehr Kinder.

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